Ulrich Bitz

So sehr wir uns es auch immer wünschen mögen, wir können uns über William Shakespeares Leben und Werk kein klares Bild machen. Sein Werdegang als Schauspieler und Dichter liegt allen Anstrengungen zum Trotz noch immer weitgehend im Dunkeln. Als ob das nicht schon genug wäre, kommt erschwerend hinzu, daß wir in seinem Fall auf keine ungebrochene Theatertradition Zugriff haben. Das verhindert die jahrzehntelange Schließung der Theater Londons in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Rezeption im England seiner Zeit wurde, bevor sie sich dem Rang seiner Dichtung gemäß hatte entfalten können, ein abruptes Ende bereitet. Aus diesem Bruch erwuchs ein staunenswertes Phänomen der englischen Theatergeschichte. Statt lokal als Dichtergröße auf London beschränkt zu bleiben, bricht sich im Fall von Shakespeare nach Wiedereröffnung der Theater eine global entfaltende Rezeption Bahn. Heute ist Shakespeare nicht länger ein englischer Dichter aus längst vergangenen Tagen, sondern als Repräsentant großer Dramatik ein globales Ereignis. Er spielt in jedem Kulturkreis eine für das dortige Theater tragende Rolle. Gäbe es so etwas wie ein globales Volkstheater, dann wäre mit ihm sein wohl herausragendster Vertreter einer beispielhaften kulturellen Aneignung zu würdigen.
Vor diesem Hintergrund ist mein Manuskript „Akrobaten der Seele“ entstanden. Es nimmt Shakespeares Dichtung mit ihren Figuren für unsere Zeit in den Blick und schließt sie für am Theater Interessierte auf. „Akrobaten der Seele“ ist eine Verbeugung vor den Schauspielerinnen und Schauspielern, die mit ihrem unendlichen Wissen über die Gesetze der Bühne das Theaterleben der Zeiten bereichern. Ihr Handwerk erinnern uns Abend für Abend daran, daß Shakespeares Größe als Dichter darin liegt, Dramatik geschrieben zu haben, die die Bühne als zweite Welt zu zelebrieren verstehen. „Akrobaten der Seele“ leistet in unseren, von Krieg beschwerten Zeiten einen Beitrag, damit die mit Shakespeares Dichtung verbundene Faszination auch für neue Generationen Theaterbegeisterter lesbar bleibt. So oder so, wir sehen uns als Theaterliebende oder verfehlen uns als Theaterhassende - |